Antwort der Revolutionär Sozialistischen Organisation (RSO) an die Genoss:innen der Revolutionären Internationalistischen Organisation (RIO)/Klasse gegen Klasse

Liebe Genoss:innen von RIO,

ihr übersetzt die Artikel eurer französischen Schwesterorganisation, dem CCR, über ihre Interpretation der Krise der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) für das interessierte deutschsprachige Publikum und ihr fordert uns öffentlich dazu auf, Stellung zu beziehen.

Das erste Mal habt ihr am 21. Mai von uns gefordert, uns „klar zu positionieren und [uns] für eine Zusammenarbeit der revolutionären Kräfte in der NPA auf Grundlage der Unabhängigkeit von reformistischen und chauvinistischen Parteien ein[zu]setzen“.

Im Anschluss daran hat es mehrere Einzelgespräche zwischen Genoss:innen unserer beider Organisationen gegeben, so dass euch unsere Positionen durchaus bekannt sind. Dessen ungeachtet wiederholt ihr am 2. Juni die öffentliche Aufforderung an uns, uns „in dieser wichtigen Frage [der ‚Situation der politischen Linken in Frankreich als einem zentralen imperialistischen Staat mit einer langen revolutionären Tradition‘] klar zu positionieren“.

Wir fragen uns, welchen Sinn eine solche Aufforderung in Deutschland haben soll. Die Genoss:innen unserer Schwesterorganisation L’Étincelle in Frankreich tun genau das, sie setzen sich „für eine Zusammenarbeit der revolutionären Kräfte in der NPA auf Grundlage der Unabhängigkeit von reformistischen und chauvinistischen Parteien ein“. Dabei haben sie ein differenzierteres Urteil als der CCR über die verschiedenen Strömungen und Tendenzen in der NPA und die Frage, wer zu den revolutionären Kräften zu zählen ist, mit denen eine Zusammenarbeit lohnt, denn der CCR ist sehr schnell dabei, über andere Strömungen den Stab zu brechen.

Die Genoss:innen von L’Étincelle haben auch von Anfang an die Politik der Wahlbündnisse mit der reformistisch-chauvinistischen France Insoumise (LFI) bekämpft. Sie haben sich gegen die gemeinsame Wahlkandidatur von NPA- und LFI-Mitgliedern auf der Liste „Bordeaux en Luttes“ ausgesprochen, die jedoch vom CCR unterstützt wurde. Der CCR legt nun im Nachhinein viel Wert auf Unterschiede zwischen „Bordeaux en Luttes“ und den aktuellen Regionalwahlbündnissen der „ehemaligen Mehrheit“ der Plattform U. Aber das ändert nichts daran, dass der CCR genau diese Bündnispolitik ermutigt und bis zum Oktober letzten Jahres unterstützt hat, gemeinsam mit der Plattform U und gegen die linken Strömungen in der NPA! Trotzdem haben die Genoss:innen von L’Étincelle seinerzeit nicht den Stab über den CCR gebrochen.

Wir haben auch unterschiedliche Ansichten darüber, wie die NPA die Frage einer möglichen Präsidentschaftskandidatur und die Wahl des:der Kandidat:in entscheiden sollte. Schon in Frankreich war es mehr als fragwürdig, durch eine „Vorkandidatur“ (des CCR-Genossen Anasse Kazib) diese Frage, mit der sich die NPA und ihre verschiedenen Strömungen in einer Situation akuter Krise beschäftigen müssen, mithilfe öffentlichen Drucks austragen zu wollen. Diese Frage jetzt in Deutschland öffentlich zu diskutieren, ist noch weniger sinnvoll.

Denn all diese Fragen sind für ein deutsches Publikum schwer zu beurteilen, wo nur wenige die Entwicklungen in der NPA und das, was auf dem Spiel steht, beurteilen können (eure Übersetzungen leisten dazu keinen sehr hilfreichen Beitrag). Deshalb sind wir selbstverständlich bereit, diese Fragen mit euch weiterhin zu diskutieren und verweisen alle Interessierten auf die Antwort der Genoss:innen von L’Étincelle an den CCR 1 https://www.convergencesrevolutionnaires.org/Reponse-de-la-Fraction-l-Etincelle-aux-camarades-du-CCR-Revolution-permanente?navthem=1, haben aber keine Lust, uns auf eine weitergehende öffentliche Polemik zu diesen Fragen einzulassen.

Eine prinzipiellere Bedeutung besitzt die Frage eines möglichen Ausschlusses des CCR aus der NPA. Da wird besonders deutlich, wie wenig eure Veröffentlichungen dazu beitragen, das deutsche Publikum zu informieren. „Auf dem Weg zu einem undemokratischen Ausschluss“ heißt es im Titel eines der letzten eurer Texte. Einen Absatz später ist dieser Ausschluss schon passiert: „Die Leitung der Partei hat nun beschlossen, mit der CCR/Révolution Permanente die größte Strömung innerhalb der linken Opposition auszuschließen.“ Kurz darauf heißt es, dass „die ehemalige Mehrheit der Partei endgültig beschlossen hat, mit der Courante Communiste Révolutionnaire/Révolution Permanente, unserer französischen Schwesterorganisation, eine linke Opposition aus der Partei hinaus zu drängen. Als Vorwand für den bürokratischen Ausschluss …“. Und weiter im Text geht es um „lokale Anträge, die unseren Ausschluss fordern oder unsere Mitgliedschaft in der Partei bestreiten“ und plötzlich „wird [Zukunft!] dies zum faktischen [!] Ausschluss unserer Aktivist:innen aus den Gremien seiner zwei größten Verbände (in den Departements 75 und 31, d.h. in Paris und Toulouse) führen“.

Was denn nun? Wurde der CCR ausgeschlossen? Oder ist nur irgendwer auf dem Weg dahin? Und wer? Die ehemalige Mehrheit der Partei, die keine Mehrheit mehr ist? Oder die Leitung (in der die ehemalige Mehrheit ebenfalls keine Mehrheit mehr hat und in der auch der CCR vertreten ist)? Oder lokale Gremien? Oder hat der CCR selbst beschlossen, die NPA zu verlassen? Nach unserem Wissen hat er seit über einer Woche gemeinsame Treffen im Rahmen der NPA boykottiert, wo er „an der demokratischen Debatte um die Zukunft der Organisation“ hätte teilnehmen können, woran er laut eurem Text angeblich gehindert wird.

Maximale Unklarheit, aber eine große internationale Kampagne, in der eure Strömung Solidarität einfordert.

Deshalb finden wir es besonders bedauerlich, dass ihr im Rahmen eurer Kampagne auch noch mit falschen Unterstellungen arbeitet und behauptet: „Doch auch die linkeren Strömungen wie Anticapitalisme & Revolution (A&R) oder die Gruppe L’Étincelle wollen sich bisher nicht eindeutig positionieren – letztere [unsere Schwesterorganisation in Frankreich] könnte sogar den Ausschluss der CCR mittragen.“

Leider werden dadurch ein paar Klarstellungen notwendig. Die Leitung der NPA, die am 22./23. Mai zuletzt zusammengekommen ist, hat nicht beschlossen, die Genoss:innen des CCR auszuschließen. Im Nachhinein haben offenbar die Genoss:innen des CCR beschlossen, den Leitungsbeschluss zur Durchführung der künftigen Nationalen Konferenz als „faktischen“ Ausschluss ihrer Strömung zu werten. Komisch nur, dass sie selbst bei der Leitungssitzung … nicht gegen diesen Beschluss, also in ihrer nachträglichen Interpretation ihren „Ausschluss“, gestimmt haben! Der Beschluss wurde einstimmig gefasst, abzüglich der Enthaltungen (!) der Genoss:innen des CCR. Wollten die sich etwa „nicht eindeutig positionieren“?

Für uns ist die Verteidigung der demokratischen Rechte einer Strömung kein Feld für Kampagnen, Manöver und Blockbildungen. Alle Mitglieder der NPA wissen, dass unsere Genoss:innen von L‘Étincelle (genau wie diejenigen von A&R) gegen Versuche, andere Strömungen, darunter auch eure, auszuschließen, immer Stellung bezogen haben und weiter Stellung beziehen werden. Aber der CCR hat offenbar beschlossen, nach dem Motto „wer nicht für uns ist, ist gegen uns“, eine öffentliche Polemik gegen alle anderen Strömungen der NPA zu führen, was leider das Gegenteil eines Einsatzes für die „Zusammenarbeit der revolutionären Kräfte in der NPA auf Grundlage der Unabhängigkeit von reformistischen und chauvinistischen Parteien“ ist.

In der Vorbemerkung zu eurer Übersetzung vom 21. Mai sagt ihr: „In diesem Sinne wollen wir mit den Genoss:innen sowohl die Debatte über die Bedeutung und Perspektiven der NPA führen, als auch über Schritte zum Aufbau einer unabhängigen revolutionären Partei in Deutschland diskutieren“. Wir sind gerne bereit, mit euch – und anderen! – über Schritte zum Aufbau einer unabhängigen revolutionären Partei in Deutschland diskutieren. Aber hoffentlich nicht „in diesem Sinne“, also mit Methoden, die für Organisationskampagnen in eigener Sache mit Halbwahrheiten und Unterstellungen arbeiten.

RSO, 9. 6. 2021

Die Antwort unserer Schwesterorganisation „la Fraction l’Étincelle“ an die Genoss:innen der CCR-Révolution permanente findet ihr hier:

https://www.convergencesrevolutionnaires.org/Reponse-de-la-Fraction-l-Etincelle-aux-camarades-du-CCR-Revolution-permanente

Dieser Text ist eine Antwort auf eine Ansprache von Genoss:innen der CCR-Révolution permanente an andere oppositionelle Strömungen in der NPA mit dem Titel Präsidentschaftswahl, Krise der NPA: eine Debatte mit den Strömungen der Linken der Partei. Er geht auf einige der darin auftauchenden Argumente ein und erläutert unseren Ansatz, insbesondere anlässlich der nächsten Präsidentschaftswahlen.

Mehr zur Debatte in der NPA und über die Politik unserer Schwesterorganisation zur politische Ausrichtung der NPA bei den französischen Präsidentschaftswahlen und für Kandidat:innen, die für ein Programm der Arbeiterklasse, antikapitalistisch und revolutionär stehen:

https://www.convergencesrevolutionnaires.org/Pour-une-candidature-ouvriere-anticapitaliste-et-revolutionnaire-du-NPA-a-la?navthem=1

https://www.convergencesrevolutionnaires.org/Contribution-au-debat-dans-le-NPA-Pourquoi-voter-pour-la-plateforme-5?navthem=1

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