Stuttgart wütend auf Bahnhof-Zocker

67% der Stuttgarter sind gegen das Bauprojekt „Stuttgart 21“. Seit Monaten ziehen Demonstrationen durch die Stadt, um die Bauarbeiten für den neuen Hauptbahnhof zu verhindern. Seit dem Beginn der Abrissarbeiten im August haben sich die Proteste weiter gesteigert. Am 30. September dann endete eine Schülerdemo mit über hundert Verletzten, einige mit schweren Augenverletzungen. Die Polizei setzte mit Wasserwerfern und Pfefferspray alles daran, dass die Bauarbeiten weitergehen. Doch nur einen Tag später demonstrierten wieder 100.000, mehr als je zuvor.

Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht…

Seit 1995 steht fest, dass der alte Hauptbahnhof neugebaut werden soll. Ein gigantisches Vorhaben, denn der Bahnhof soll unter der Erde verschwinden, zig neue Tunnel und Gleisanlagen sollen gebaut werden.
Nur Stück für Stück kommen die wahren Kosten ans Tageslicht. Ursprünglich sollten es 5,1 Mrd. Euro für das gesamte Projekt sein. Neuere Gutachten rechnen aber mit mindestens 14 Milliarden – und das noch vor Baubeginn!
Kein Wunder, dass die Stuttgarter den vielen Versprechungen der Deutschen Bahn und ihrer Freunde nicht trauen. Wenn Berechnungen so manipuliert wurden, wieso soll man diesen Leuten dann noch glauben, dass am Ende der Bahnverkehr besser als heute funktioniert? Oder dass 10.000 neue Arbeitsplätze entstehen?

Unternehmen und Staat – zwei dicke Freunde

„Die guten Argumente überwiegen“ heißt es im Logo des Stuttgart21-Kartells. Darin hat sich eine illustre Gesellschaft aus Wirtschaft und Politik zusammengefunden. Da sitzt DB-Chef Grube neben dem früheren Ministerpräsidenten Lothar Späth, der auch im Aufsichtsrat des Tunnelbau-Konzerns Herrenknecht ist. Dabei ist auch der lokale Immobilienhai Häussler, dem beste Kontakte zur lokalen CDU nachgesagt werden, und weitere Herren von der Baumafia und der Deutschen Bank. Diese Runde verbindet weniger die Liebe zur Eisenbahn als das gute Gespür für Geld… viel Geld! Durch die Verlegung unter Erde werden 100 Hektar Fläche in bester Innenstadtlage frei. Beim Umbau des Bahnknotens werden Bau- und Immobilienfirmen Milliarden scheffeln. Das sind für sie wirklich „gute Argumente“! Wer wird die Rechnung bezahlen? Das steht fest: Die Stadt Stuttgart, das Bundesland Baden-Württemberg und die Bundesrepublik.

Wir wollen mitreden, wie das von uns erarbeitete Geld verwendet wird…

…fordern viele Stuttgarter. Sie wollen sich nicht länger verschaukeln lassen und bezeichnen die S21-Planer als „Lügenpack“. Die Landespolitiker von CDU und SPD hatten darauf gehofft, dass sich die Demos totlatschen würden, aber diese Rechnung ist nicht aufgegangen. Deshalb entschieden sie sich Ende September, die Demonstration von der Polizei gewaltsam räumen zu lassen. Doch das hat die Proteste nur angefacht! Die Stuttgarter Bevölkerung geht weiter auf die Straße. Am 9. Oktober waren es wieder über 100.000 Menschen! Es gibt eben eine allgemeine Unzufriedenheit in der Bevölkerung, und die Unternehmer und ihre Politiker fangen vielleicht an sich Sorgen zu machen, ob sie all ihre Reformen gegen die Bevölkerung weiter durchkriegen werden.

Abzocke auf Kosten der Bevölkerung…

…macht nicht nur die Stuttgarter wütend. In Frankreich waren am Dienstag zum vierten Mal seit dem Sommer mehrere Millionen Menschen auf der Straße und im Streik. In der Wirtschaftskrise hatte die französische Regierung über Nacht Hunderte von Milliarden von Euro für Banken und Konzerne lockergemacht. Jetzt soll unter allen möglichen Vorwänden am Sozialsystem gespart werden: Das Alter für die volle Rente soll auf 67 Jahre angehoben werden! Kommt uns das nicht irgendwie bekannt vor? Arbeiten bis 67 oder länger, Gesundheitsreform und Zusatzbeiträge, lächerliche Erhöhung von Hartz IV um 5 Euro pro Monat, angeblich leere Kassen aber Milliardengeschenke an Banken und Industrie …

Widerstand ist möglich!

Die Proteste in Stuttgart und Frankreich zeigen: Es kann eine richtige Protestbewegung geben, man kann sich wehren! Genau das ist es, was die Unternehmen und ihre Freunde im Staat befürchten: Wenn die Menschen wieder ihre eigene Kraft entdecken. Und es gibt mehr als genug Gründe, sich vom Virus der Stuttgarter und französischen Protestkultur anstecken zu lassen!

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