Linkspartei ohne Perspektive

Die Linkspartei ist seit Jahren in der Krise, während am rechten Rand die AfD im Aufschwung ist. Jetzt droht auch noch die Abspaltung des Wagenknecht-Flügels. Welche weiteren Aussichten gibt es für diese(s) Projekt(e) und wie könnte eine echte linke Perspektive gegen den Aufstieg der AfD aussehen?

In den letzten Jahren hat der Kapitalismus auf verschiedensten Ebenen immer deutlicher gezeigt, dass er die Menschheit von einer Krise in die nächste schleudert: Auf wirtschaftlicher Ebene ist er seit der Finanzkrise 2007-9 kaum zur Ruhe gekommen (Euroschulden-Krise, Corona-Krise, Inflation), er fährt ungebremst in die Klimakatastrophe, und gleichzeitig nehmen die internationalen Spannungen zu: bis hin zum Ukraine-Krieg und der Einstimmung auf weitere Kriege „hoher Intensität“.

Krise der Linkspartei und Aufstieg der AfD

Doch gerade in diesen Jahren hat die Linkspartei sich nicht als Alternative zu diesem bankrotten kapitalistischen System präsentieren können, sondern hat seit 2009 massiv Mitglieder und Wähler:innen verloren. Damals zählte die Partei noch 78.000 Mitglieder und kam bei der Bundestagswahl auf 11,9 %. Ende letzten Jahres gab es noch 54.000 Mitglieder und zuletzt erreichte die LINKE im Bund nicht einmal die 5-%-Hürde.

Stattdessen konnte die rechtspopulistische bis rechtsradikale AfD von der Krisenstimmung profitieren und liegt derzeit bei Umfragen als zweitstärkste Partei klar über 20 %. Dabei bietet sie keinerlei Lösung für all die vom Kapitalismus verursachten Probleme an, sondern nur einen Sündenbock – Geflüchtete und Migrant:innen im Allgemeinen – und ein rückwärts gerichtetes Weltbild, wonach „früher“ die Welt in Ordnung war, solange konservative Normen nicht in Frage gestellt und gesellschaftliche Vielfalt versteckt oder unterdrückt wurde.

Welche Erfolgschancen hat eine Wagenknecht-Partei?

Innerhalb der Linkspartei ist es Sahra Wagenknecht, die seit Jahren versucht, einen Teil dieser Politik zu kopieren, in der Hoffnung so der AfD wieder Stimmen abjagen zu können1. Dieser Flügelkampf hat vermutlich auch einen Teil zur Schwächung der Linken beigetragen. Jedenfalls bereiten sie und ihre Anhänger:innen sich nun vor, das sinkende Schiff zu verlassen. Es wird immer wahrscheinlicher, dass der Wagenknecht-Flügel zu den Europawahlen 2024 als neue Partei antritt. Vorbereitungen laufen schon, eine offizielle Parteigründung wird es wohl erst Anfang nächsten Jahres geben, weil es finanzielle Vorteile bei der Wahlkampfkostenerstattung gibt, wenn die Partei erst im Wahljahr gegründet wird.

Über die Erfolgsaussichten wird wild spekuliert. Im Sommer machte eine Umfrage die Runde, wonach sie aus dem Stand auf 15 % kommen und den Höhenflug der AfD bremsen würde. Eine detailliertere Forsa-Umfrage Mitte August ist zurückhaltender: Danach sind sich nur 3 % „sicher“ diese Partei zu wählen, wenn sie denn antreten würde, 18 % können es sich „vielleicht“ vorstellen. Das lässt eine sehr weite Spanne, was nicht verwunderlich ist, wenn weder das Programm noch das Personal der Partei und erst recht nicht ihre Wahlkampf-Slogans vorhersehbar sind, abgesehen von verschiedenen Äußerungen Wagenknechts selbst. Interessant ist (auch hinsichtlich der Kräfteverhältnisse innerhalb der Linkspartei), dass unter jetzigen Anhänger:in-nen der LINKEN 22 % „sicher“ für eine Wagenknecht-Liste stimmen würden und weitere 38 % es in Erwägung ziehen. Von jetzigen AfD-Anhänger:innen sind sich 5 % „sicher“ Wagenknecht wählen zu wollen und immerhin 48 % können es sich vorstellen.

Es ist also durchaus möglich, wenn auch längst nicht ausgemacht, dass eine neue Wagenknecht-Partei einen Achtungserfolg auf Wahlebene erringt, was dann die verbleibende LINKE weiter schwächen dürfte. Doch ob eine Wagenknecht-Partei sich auch längerfristig halten kann, steht auf einem anderen Blatt. Der „linkspopulistische“ Spagat, für den Wagenknecht steht, zwischen eher linker Umverteilungspolitik und konservativ rechtem Kulturkampf à la AfD, droht auch in der neuen Partei zu Streit und Zerreißproben zu führen. Vor allem aber wäre eine solche Partei, selbst wenn sie Wahlerfolge feiert und den Aufstieg der AfD zunächst bremst, kein Gewinn für den Klassenkampf. Vielmehr würde neben der AfD eine zweite Partei existieren, die mit billigen Parolen gegen Geflüchtete und andere Minderheiten auch innerhalb der Arbeiter:innenklasse Stimmung macht und so nicht nur vom Klassenkampf ablenkt, sondern existierende Spaltungslinien unter den Arbeitenden noch verstärkt. Der rechten Ideologie der AfD würde so nichts entgegengesetzt, sondern sie würde weiter legitimiert und bestärkt werden.

Das Hauptproblem der Linkspartei

Die LINKE außerhalb des Wagenknecht-Flügels spricht ebenfalls viel von einem „Neuanfang“ – die lähmenden internen Flügelkämpfe sollen mit der Trennung von Wagenknecht überwunden sein und die Partei sich wieder erholen. Doch eigentlich steht dieser Teil der Partei für ein „weiter so“, und das ist der springende Punkt, weshalb diese Partei in all den Jahren von der Krise des Kapitalismus nicht profitieren konnte. Ohne jemals bundesweit an einer Regierung beteiligt zu sein, hat es die LINKE – durch Teilnahme an vielen Landesregierungen vor allem in Ostdeutschland – geschafft, als Partei des Establishments wahrgenommen zu werden. Ihre einzige Perspektive ist nach wie vor in Regierungsbeteiligungen zu kommen. Immer mit dem Argument, man könne das dann sozialer gestalten als andere Parteien, wird jedes Mal wieder das kapitalistische Elend loyal mitverwaltet. Gerade in Berlin können wir davon ein Lied singen, wo die PDS als Vorgängerin der LINKEN Wohnungen privatisiert und entscheidende Verschlechterungen für die Beschäftigten (nicht nur) in den öffentlichen Krankenhäusern durchgesetzt hat – also für genau all das verantwortlich ist, wogegen die größten sozialen Bewegungen der letzten Jahre ankämpften. Diese Regierungserfahrungen sind der Grund, weshalb es mittlerweile die AfD ist, die in den Augen von vielen am glaubwürdigsten gegen „das System“ oder gegen „die da oben“ auftritt.

Wir brauchen eine revolutionäre Alternative (nicht nur für Deutschland)

Die Linkspartei hat viele Aktivist:innen und Wähler:innen enttäuscht. Die bevorstehende Spaltung wird noch mal mehr Menschen, die all das, was der Kapitalismus für uns bereit hält, nicht länger ertragen wollen, nach neuen Perspektiven suchen lassen. Da ist eine revolutionäre Linke gefragt, die anders als die Linkspartei keine bloß enttäuschenden Illusionen in den bürgerlichen Staatsapparat und Regierungsbeteiligungen schürt, sondern bewusst Mobilisierungen auf der Straße und in den Betrieben anstrebt und organisiert, um die Welt zu verändern. Die den Abgehängten und sich ohnmächtig Fühlenden anders als AfD und Wagenknecht nicht anbietet, nach unten zu treten, um vermeintlich bestehende Errungenschaften im Konkurrenzkampf gegen noch stärker Ausgebeutete zu verteidigen, sondern die den gemeinsamen Widerstand der Ausgebeuteten und Unterdrückten in all ihrer Vielfalt auf die Tagesordnung setzt.

Die radikale und revolutionäre Linke ist (nicht nur in Deutschland) extrem zersplittert. Um als Alternative zur Linkspartei wahrgenommen zu werden und eine glaubwürdige Alternative anbieten und verkörpern zu können, müssen wir auch diese Zersplitterung im Rahmen unserer Möglichkeiten überwinden. Wir als RSO haben in den letzten Jahren schon öfter unsere Bereitschaft erklärt, mit anderen revolutionären Kräften zusammenzuarbeiten, um einen Beitrag zur Schaffung einer dringend benötigten größeren revolutionären Partei zu leisten2. Und wir sind optimistisch, dass wir angesichts der Krise der Linkspartei, wie auch all der Krisen des Kapitalismus, bei dieser Aufgabe Mitstreiter:innen finden!

Richard Lux, Berlin

Fußnoten

  1. Mit Wagenknechts politischen Ansichten haben wir uns hier ausführlicher auseinandergesetzt: http://sozialismus.click/identitaetspolitik-und-klassenkampf-zum-neuen-buch-von-sahra-wagenknecht/ ↩︎
  2. Siehe zum Beispiel unter: sozialismus.click/vom-revolutionaeren-bruch-zu-einer-revolutionaeren-zusammenarbeit/ ↩︎

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