Fünf Jahre ukrainische Sowjetmacht!

Der Text, den wir jetzt auf Deutsch veröffentlichen, stammt aus einer Rede, die Christian Rakowski am 15. Juli 1923 in Charkow/Charkiw hielt. Zwei Tage später wurde die Rede in der damaligen Hauptstadt der Sowjetrepublik Ukraine gedruckt. Nach fünf Jahren an deren Spitze berichtet der Vorsitzende der Volkskommissare seine Erfahrung aus dieser gebeutelten Zeit.

Ein großer Teil der Rede ist dem Bürger:innenkrieg gewidmet (hier geht es zur Rede: https://www.sozialismus.click/fuenf-jahre-ukrainische-sowjetmacht/ ). Die Ukraine war Schauplatz heftiger Kämpfe zwischen roter und weißer Armee. Letztere hatte sich mit englischer und französischer Unterstützung vorgenommen, die Sowjetmacht zu stürzen. Wie wurde der Krieg gewonnen? Laut Rakowski lernten die Kommunist:innen „äußerst sensibel und aufmerksam zu sein für das, was auf dem Land geschah“, und haben „die volle Bedeutung dessen verstanden, was es bedeutet, das Land auf unserer Seite zu haben“. Die Nacherzählung eines Dialogs mit einem Bauer zeigt anschaulich, wie der Sieg politisch erreicht wurde.

Rakowski stellt dann alle Probleme der Ukraine dar. Rückblickend erscheinen seine Vorahnungen vorausschauend. Sei es über das Problem der Aufteilung des Bodens, das fünf Jahre später von Stalin brutal aufgegriffen wird, oder über die Gefahr der Neuen Ökonomischen Politik (NEP), seine Überlegungen führen zum Kern des Schicksaljahres 1923. „Die Landwirtschaft wird noch Jahrzehnte lang die Grundlage aller wirtschaftlichen Entwicklung sein.“ Weit entfernt von der späteren stalinistischen Angeberei, gibt er zu, „die Schwerindustrie […] befindet sich leider in einer äußerst schwierigen Lage“. Weiterhin befasst er sich mit den Ursachen des Antisemitismus und der „Rassenfeindschaft“. Als letztes spricht er über die Nation, die Sprache und das Nationalgefühl. “Das aufzugeben (die Nation), es zu nehmen und zu sagen, dass es nicht existiert, dass diejenigen, die darüber reden, keine Internationalisten sind usw., das ist falsch und gefährlich. Manchmal verbirgt sich unter einem solchen Internationalismus das Gefühl einer Person, die als Zugehörige zu einer unterdrückerischen Nationalität nie nationale Unterdrückung gekannt hat.“ Hier zeigt sich eine erste Kritik an der Bürokratie mit ihrem großrussischen Anspruch, die die kommunistische Partei zerstören wird.

Lorenz Wassier, Berlin

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