In Nazideutschland wurde 1934 – vor 80 Jahren – die Führung der Sturmabteilung (SA) ausgeschaltet. Der Führer der SA Ernst Röhm wurde von Hitler persönlich am Morgen des 30. Juni verhaftet und zwei Tage später im Münchner Gefängnis Stadelheim erschossen. Was hatte er sich vorzuwerfen? Warum war es seinem Parteigenossen Hitler so wichtig geworden, ihn zu beseitigen?
In dieser kurzen und blutigen Aktion wurden innerhalb von drei Tagen etwa hundert Personen ermordet. Sie unterscheidet sich von den Zigtausenden Morden an Opponent:innen während des III. Reiches, weil sie sich gegen treue Mitglieder der NSDAP richtete, deren „guter Wille“ gegenüber dem jungen Reich kaum in Frage gestellt werden konnte. Niemand innerhalb der Führung der SA hatte tatsächlich einen Putsch geplant. Dieser „Putsch“ war eine reine Erfindung von Hitler und Co., um auf Nummer sicher zu gehen, dass die Konservativen und Bürgerlichen den Nazis nicht die Gefolgschaft verweigern, und weil SS und Reichswehr mit der SA ihre Konkurrenz ausschalten wollten.
Röhm war, wie viele Mitglieder der SA, ein alter Veteran des Ersten Weltkrieges und Mitbegründer der NSDAP. Die SA war eine Massenorganisation und wuchs nach Januar 1933 schnell. 1934 umfasste sie 2,5 Millionen Mitglieder, etwa zwanzig Mal mehr als die Reichswehr. Neben den Draufgängern des ruinierten Kleinbürgertums der Wirtschaftskrise 1929 (Studierende, Kaufleute, Handwerker …) waren zahlreiche „gute“ Familienväter, auch aus der Arbeiter:innenklasse, hinzugekommen.
Die SA bei der Arbeit: Verhaftung von Kommunisten (1933)
Die SA hatte viel zum Erfolg der Nazis beigetragen. Noch beim Wahlkampf im März 1933 war die SA dabei, wenn es darum ging, die allerletzten wenigen Veranstaltungen der KPD und SPD anzugreifen. Trotz des Terrors der Nazis bekam die NSDAP immer noch nicht die Mehrheit bei diesen Wahlen.
Als Führer der SA blieb Röhm dem Gründungsprogramm der NSDAP treu. Röhm träumte von einer „zweiten Revolution“, gerade einmal ein Jahr nachdem Hitler zum Kanzler ernannt worden war … Röhms Ziel war, alle Posten im Land mit Nationalsozialist:innen zu besetzen. Doch Hitler war auf die Kräfte aus dem konservativen Bürgertum angewiesen.
Hitler hatte seinerseits seit 1932 eine enge Verbindung mit dem Großkapital hergestellt. Den Großunternehmern, die sich über den zweiten Bestandteil des Worts „Nationalsozialismus“ noch Sorgen gemacht hatten, hatte er seine genaueren Ziele erklärt. So waren die Kapitalist:innen von der Zielsetzung der kommenden Regierung sehr angetan. Zunächst sollten die Arbeiter:innenorganisationen zerschlagen und dann das Reich ausgedehnt werden. Das Deutsche Industrie- und Finanzkapital brauchte Platz zum Expandieren, hatte das Deutsche Reich doch keine Kolonien mehr und die Perspektive eines Eroberungskriegs fand großen Anklang.
Die Kräfte des Staates bündeln
Die Grenzen zwischen der Staatsmacht und der rechten Szene sind schon lange undicht, das konnten wir in Deutschland auch nach 1945 schon oft feststellen. Im jungen III. Reich stellte sich das Problem ganz anders dar: Sobald die Staatsmacht faschistisch geworden war, war es für die Leitung des Staates eine unerlässliche Aufgabe, den Staatsapparat zu schleifen, für die gewaltigen Aufgaben die ihm bevorstanden. Indem Hitler die SA beseitigte, brachte er die Reichswehr endgültig auf seine Seite.
Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler war also nur ein Anfang. Die Machtübertragung dehnte sich tatsächlich bis zur „Nacht der Langen Messer“ aus, bis Hitler vollständig die Macht ergriffen hatte. Gerade in Fragen der Gewalt hatte der Staat kein Interesse an konkurrierenden Kräften. Die SA, als bewaffneter Flügel der NSDAP, hatte eine populäre Komponente. Gerade die musste von der politischen Szene beseitigt werden. Mit der „Nacht der langen Messer“ wurde das rein bürgerliche Wesen des Staates gesichert. Die SA, deren Organisation führerlos gemacht wurde, spielte im Rest der Geschichte des III. Reiches eine untergeordnete Rolle.Lorenz Wassier, Berlin