Heute vor 77 Jahren befreiten die sowjetischen Streitkräfte das NS-Vernichtungslager Auschwitz. Was die Rotarmist:innen sahen, überstieg auch nach den Grauen des Krieges jedes Maß. Gut 8.000 Gefangene, mehr tot als lebendig, hatten die SS-Mörder:innen zurückgelassen als sie das Lager räumten. Weitere 60.000 zwangen sie auf „Todesmärschen“ mit sich nach Westen. In den Kleiderkammern des Lagers fanden die Befreier:innen über eine Million Frauenkleider und Herrenanzüge, 44.000 Paar Schuhe und gut sieben Tonnen Menschenhaar, die man den Ermordeten abrasiert hatte, um sie für die deutsche Kriegswirtschaft zu verwenden. Alles fein säuberlich in Listen registriert, wie die Buchhaltung in einem hocheffizienten kapitalistischen Betrieb. Hier waren keine Wahnsinnigen oder kranke Sadist:innen am Werk (auch wenn es die gab), hier wurde Massenmord organisiert wie eine Fabrik. Das im Kapitalismus begründete Profitstreben ist im Kern menschenverachtend und beschert uns eine Welt voller Grausamkeit und Gewalt. Schon vor 1933 hat es Massen- und Völkermorde (z. B. an den Ureinwohner:innen der Kolonien in Amerika, Afrika und Asien) hervorgebracht. Doch trotz aller Verbrechen des Imperialismus oder des Stalinismus (in Russland und China) ist Auschwitz zu Recht als unvergleichbar bezeichnet worden. Denn erst der Holocaust hat die ganze technische Effizienz des hochentwickelten Kapitalismus in eine mörderische Verbindung mit einer reaktionären und verschwörungstheoretischen Ideologie – dem Antisemitismus – gebracht, das Töten von Menschen zu einer Frage der „Produktivität“ gemacht und war in dieser Form der industriell organisierten Massentötung bis heute einzigartig. Die Nazis, die diese Verbrechen begangen haben, taten dies nicht im Auftrag des deutschen Kapitals. Die deutschen Kapitalist:innen hatten kein eignes Interesse an diesem Massenmord. Aber sie wollten, dass die Nazis 1933 die Arbeiter:innenbewegung zerschlagen und 1939 den Krieg für die Weltherrschaft der deutschen Konzerne führen. Dafür waren sie bereit Hitlers Ideologie und Mordprogramm zu akzeptieren. Umso mehr, als alle großen deutschen Unternehmen am Holocaust verdient haben. Diese Wahrheiten werden in den blumigen Bundestagsreden und Gedenkartikeln nicht zufällig „vergessen“. Die deutsche wie die österreichische Regierung erklären heute, dass sich „Auschwitz nie wiederholen“ dürfe, sei das höchste Staatsziel. Sie feiern sich als „gute Demokrat:innen“ und leiten daraus z.B. die Lieferung von U-Booten an den israelischen Staat oder Militäreinsätze „für die Menschenrechte“ auf dem Balkan und Afrika ab. Diese neokoloniale und militaristische Politik kann nicht die Bedeutung von „Nie wieder Auschwitz“ sein. Die kapitalistischen Krisen und nicht zuletzt der „Umgang“ mit der Corona-Pandemie führen aktuell zu einem Neuerstarken von antisemitischer Ideologie und Verschwörungsmythen. Soziale, ökologische und ökonomische Krisen werden für das Kapital die Möglichkeit autoritärer Lösungen wieder interessanter machen. Auch wenn es in keinem kapitalistischen Land einen „Hitler“ an der Regierung gibt, gibt es mehr und mehr Diktatoren, bauen die Herrschenden auch in Deutschland und Österreich Demokratie ab und den Überwachungsapparat aus. Auschwitz ist einzigartig aber seine Wiederholung nicht ausgeschlossen. Auschwitz war das letzte Ergebnis kapitalistischer Herrschaft und des unbedingten Willens der Kapitalist:innen, an der Macht zu bleiben. Der Opfer gedenken, heißt auch Auschwitz erklären und die Verantwortlichen nennen. Nehmen wir gerade heute statt blumiger Gedenkworte den Schrei „Nie wieder Auschwitz!“ ernst und kämpfen wir gemeinsam an allen Tagen des Jahres gegen Verschwörungsmythen, gegen alte und neue Faschist*innen und die kapitalistische Klassengesellschaft, die diese erst gefährlich macht.