Wer profitiert von der Krise in Venezuela?

Der Machtkampf vor dem Hintergrund einer tiefen Wirtschaftskrise in Venezuela spitzt sich seit einigen Wochen zu. Präsident Maduro stellt sich als Opfer imperialistischer Intrigen dar. So macht er auch die USA für den kompletten Stromausfall in der letzten Woche verantwortlich, der für die Bevölkerung eine weitere schwere Last ist: Die Trinkwasserversorgung brach weg und es gab 40 Tote in Krankenhäusern, in denen die Stromversorgung komplett ausfiel.

Zum Machtkampf gehört auch die Blockade einiger Konvois mit „humanitärer Hilfe“ an den Grenzen Venezuelas zu Kolumbien und Brasilien durch Maduros Armee vor einigen Wochen.

Seit einem Monat erhöhen die Vereinigten Staaten, die Europäische Union und die reaktionären Regierungen Lateinamerikas den Druck, um das Maduro-Regime zu stürzen. Und die wenigen versprochenen Kisten mit „humanitärer Hilfe“ sind nichts im Vergleich zu den Folgen wirtschaftlicher Sanktionen, die Trump ergriffen hat (nachdem 2014 Obama bereits Sanktionen verhängte). Und noch dazu droht Trump mit militärischer Intervention.

Mit der Unterstützung von Donald Trump, aber auch von Angela Merkel und Emmanuel Macron, hatte sich Juan Guaidó anstelle von Nicolas Maduro zum Präsidenten ernannt. Guaidó – ein Verteidiger der Demokratie? Die Manöver sind leicht zu durchschauen.

Es stimmt, dass die westlichen Großmächte, allen voran die USA, ihre eigenen imperialistischen Ziele verfolgen und nicht etwa um Demokratie und Wohlergehen der Bevölkerung besorgt sind.
Trumps Ernennung von Elliott Abrams zum US-Sonderbeauftragten für „Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela“ ist dafür ein klares Symbol: Abrams hat in den 1980er Jahren mit der CIA illegale Waffenlieferungen an rechte Paramilitärs in Nicaragua organisiert, die sogenannten „Contras“, die im Bürgerkrieg Massenmorde an Zivilist*innen begingen.

Aber das Regime von Maduro hat nichts Sozialistisches, genauso wenig wie unter seinem Vorgänger Chávez, auch wenn der seine Machtergreifung als „bolivarische Revolution“ bezeichnete und gern von „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ palaverte. Sie haben die Situation der armen Bevölkerung nicht nachhaltig verbessert. Mit der Unterstützung eines großen Teils der Armee wurde der Offizier Hugo Chávez 1998 zum Präsidenten eines Landes inmitten einer wirtschaftlichen und sozialen Krise gewählt. Der Anstieg des Ölpreises in den darauffolgenden Jahren hat es seinem Regime schließlich erlaubt, einige soziale Maßnahmen zu ergreifen. Dabei ging es um Programme zur Alphabetisierung, zur Subventionierung lebensnotwendiger Dinge und um die Schaffung von „bolivarischen Missionen“, die vor allem die Aufgabe hatten, Lebensmittel zu verteilen und… die Bevölkerung unter Kontrolle zu halten. Auch Tausende kubanische Ärzte wurden ab dem Jahr 2000 ins Land geholt. Aber man darf nicht übersehen, dass diese „paternalistische“ Politik von Chávez sich mehr an die Bewohner der von Armut und Arbeitslosigkeit marginalisierten Stadtteile richtete, während die bezahlten Arbeitenden zum Beispiel Verschlechterungen ihrer Tarifverträge erlebten. Ihnen wurde nichts geschenkt und weil es Gewerkschaftsaktivisten und Arbeiter*innen gab (und gibt), die sich für ihre Rechte, Löhne und Arbeitsbedingungen einsetzen, verwandelte sich der paternalistische „Dialog“ in brutale Unterdrückung. Mehrere Hundert Gewerkschafter wurden in den letzten Jahrzehnten ermordet. Mehrfach wurde die Nationalgarde gegen Streikende eingesetzt, wie zum Beispiel 2008 im Stahlwerk Sidor oder 2011 bei Ferrominea. Gewerkschafter wurden und werden immer wieder inhaftiert.

Chávez hat nie versucht, den Reichtum der Bourgeoisie anzugreifen. Die Ungerechtigkeit hat auch unter Chávez weiter zugenommen. Die übergroße Mehrheit der Industrie ist weiter in den Händen privater Konzerne. Der Reichtum der Bourgeoisie ist gewachsen. Unter den Privilegierten gibt es jetzt zudem die Klasse der neuen Reichen, die „Boli-Bourgeoisie“, die sich besonders in der Staatsbürokratie entwickelte. Sicher, Chávez dafür gesorgt, dass die Einnahmen der schon seit 1976 verstaatlichten Erdölindustrie stärker für Sozialprogramme genutzt wurden. Aber die Armen blieben weiter arm. Die elenden Slums wachsen, die Kriminalität ist exorbitant und tödlich. Auch wenn ein Teil der venezolanischen Bourgeoisie, von denen die meisten mit den USA verbunden sind, ein wenig kalte Füße bekommen hat, ging es für Chávez nie darum, den Banken und venezolanischen Geschäftsleuten Schwierigkeiten zu machen. Die ausufernde Korruption des Regimes hat aber seine Popularität verringert. Der Zusammenbruch des Ölpreises vor allem in der Zeit unter seinem Nachfolger Maduro hat die Wirtschaft ruiniert und die Bevölkerung ins Elend gestürzt. Die Inflation ist unbeschreiblich und lag letztes Jahr bei 1,37 Millionen Prozent.

Es scheint die perfekte Gelegenheit für die Vereinigten Staaten und andere Großmächte zu sein, sich eines Regimes zu entledigen, das ihren Interessen gegenüber nicht ausreichend willig ist. Vor einer direkten Militärintervention schrecken sie (vorläufig) noch zurück, aber mit diplomatischem Druck und Sanktionen versuchen sie auf Kosten der Bevölkerung Maduro zu schaden und Guaidó zu unterstützen, den Spross der konservativen Eliten, der in Lohn und Brot der venezolanischen Bourgeoisie und der USA.

Die bittere Erkenntnis für die Armen und die arbeitende Bevölkerung ist, dass es für sie keinen „Erlöser“ gibt, nicht Maduro, nicht vor ihm Chávez, nicht den früheren „linken“ Präsidenten Lula in Brasilien, wo mit Bolsonaro ein rechtsextremer Mann die Krise nutzte, um an die Macht zu kommen. Angesichts des zunehmenden Elends in Lateinamerika können sich die Arbeitenden nur auf ihre eigenen Kämpfe verlassen!

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