Wieder mal verstopfen Plakate die Stadt. Der Europawahlkampf ist eröffnet und die Politiker haben es eilig, unsere Stimmen zu bekommen. Die größeren Parteien – die auf die eine oder andre Weise miteinander oder gegeneinander regieren – haben die Unruhe in der Bevölkerung aufgegriffen. Eine Unruhe und Wut, die sich durch Demonstrationen wie „unteilbar“ (gegen Rassismus und gegen Ausgrenzung der Migrant*innen), gegen die Klimakatastrophe oder nicht zuletzt, wieder letzte Woche, gegen die steigenden Mieten zeigt. Alle größeren Parteien wollen das gerne in Briefumschläge verpacken, in der Urne versenken und den Deckel drauf machen.
Die neue CDU-Chefin Kamp-Karrenbauer betont dabei ein bisschen mehr die „Souveränität“ Deutschlands, um die negativen Gefühle gegenüber der Europäischen Union einzufangen, während andere Parteien, zum Beispiel SPD und Grüne, „Europa“ lobpreisen. Egal, wie sie ihre Werbebotschaften verpacken, es geht immer darum, dass hinter dem Rücken der Bevölkerung die Geschäfte der großen Unternehmen und Banken weiter gut laufen sollen, allen voran die der deutschen, für die die Europäische Union die Lizenz zum Gelddrucken ist. Die Lösung der sozialen Probleme… ist nicht so ihr Ding.
Ihren Geschäften geht es tatsächlich blendend!
2019 werden 57 Milliarden an die Aktionäre deutscher Unternehmen gehen. Eine Rekordsumme… nach den Rekorden der letzten Jahre. Auch die Gewinne der großen 30 DAX-Unternehmen brechen Rekorde, genauso wie die französischen CAD-Unternehmen. Um sie geht es, wenn von „Europa“ die Rede ist: sie stehen auch an der Spitze, wenn es darum geht in Osteuropa die Arbeitenden mit niedrigen Löhnen auszubeuten. Deutsche Unternehmen profitieren sogar von der wirtschaftlichen Krise in Griechenland: bei den Privatisierungen sind sie vorne dabei – zum Beispiel die Fraport, der Flughafenbetreiber – oder mit Zinszahlungen auf Kredite.
Das versteckt sich selbst hinter den Werbebotschaften der SPD und der Grünen, die gerne das Wort „sozial“ in den Mund nehmen. Die SPD will mit einem europäischen Mindestlohn Kampagne machen. Aber man muss lange suchen, um was konkretes zu finden: ein Mindestlohn – wie niedrig? Was soll man von dieser Partei halten, die für Deutschland einen Mindestlohn festschreibt, der weit unter der Armutsschwelle liegt?
Wie klingt das Wort „Frieden“ bei CDU und SPD, den Militärhaushaltes erhöhen und mit der Waffenindustrie unter einer Decke stecken?
Leer sind auch die Versprechungen zur Umwelt. Die Politiker rennen den Schülerprotesten hinterher. Doch wenn sie sich alle so einig sind, die Umwelt zu schützen, warum haben sie das nicht schon gemacht? Die Politik ist praktisch eine Bremse. Sie geben sich um so greller eine moralische Fassade, als sie in Wahrheit nur die Diener der Reichen sind.
Von dieser heuchlerischen Art von Wahlkampf hatten wir schon die letzten Male die Nase voll. Die Wiederholung macht es nicht besser.
Wahlkampfzeiten… Demozeiten!
Die Antwort auf die Frechheit der regierenden Groko, genauso wie der Grünen oder der widerlichen Ausgrenzung der AfD, ist tatsächlich anderswo zu suchen: in den Demonstrationen und Streiks für konkrete Verbesserungen. Kein Wahlprogramm und keine „strategischen“ Wahlüberlegungen werden daran was ändern. Auch nicht die Linkspartei, die wie alle verspricht: „Wenn wir an die Macht kommen, werden wir das und das machen“: ein zu oft gehörtes Lied.
Wir haben in den letzten Monate viele Proteste hier in Deutschland gesehen, so auch in Frankreich wo die Gelbwesten auch nach fünf Monaten Mobilisierung nicht nachlassen. In England, jenseits der Love or Hate-Geschichte um den Brexit, ergreifen die Leute das Wort. Überall wo es Ausbeutung gibt, gibt es Gegenwehr: in Ungarn streikten Anfang des Jahres die Arbeiter von Audi und holten eine Lohnerhöhung von 18 Prozent (238 Euro) raus. Jenseits der europäischen Mauern bleibt es auch nicht ruhig: im Sudan und in Algerien stellt gerade die Bevölkerung, allen voran die jungen Frauen, die Herrschaft einer Minderheit von Profiteuren in Frage, von denen einige aus diesen Ländern selbst stammen, aber hinter denen mächtige wirtschaftliche Cliquen stehen, die in den USA und Europa zu finden sind. Der Wind beginnt sich zu drehen. Und den Politikern schmeckt das gar nicht.
Ein Wahltag wird unser Leben nicht ändern, aber Proteste, ja.