Der schlecht gewählte Macron könnte schnell enttäuscht werden

Leitartikel der Betriebsflugblätter von L’Étincelle der Neuen Antikapitalistischen Partei (NPA) – übersetzt aus dem Französischen:

Großer Sieg für Macron, titeln einige Medien. Die 58,5 % der Stimmen, die für seinen Namen abgegeben wurden, sind zwar einer der Rekorde in der Fünften Republik, doch die Leistung besteht vor allem darin, dass er mit so vielen Stimmen von Männern und Frauen gewählt wurde, die ihn hassen! Für ihn stimmten – auf direkten oder kaum verhüllten Aufruf aller Parteien, der Liberalen wie der Linken1Gemeint sind alle Parteien links der Regierung: Sozialisten, Kommunisten… – Millionen, die fünf Jahre lang unter seiner Politik gelitten hatten, aber noch weniger unter der von Marine Le Pen leiden wollten. Eine seltsame Art von Demokratie ist die des weniger Schlimmen gegen das Schlimme! Nicht zu vergessen die ebenfalls rekordbrechende Wahlenthaltung. „Danke … diese Wahl verpflichtet mich“, sagte Macron dennoch vor dem Hintergrund des Eiffelturms, damit sein Foto um die Welt gehen konnte. Er hätte sich besser bei Marine Le Pen bedanken sollen, deren übelriechende Ideen als Abschreckung dienten. Und er ist zu nichts verpflichtet. Es liegt jetzt an uns und nicht an dem simplen, voreingenommenen Spiel einer Wahl.

Das manipulierte Spiel der Wahlurnen

Macron hatte im ersten Wahlgang 9,7 Millionen Stimmen erhalten, 28 Prozent der Wahlberechtigten, also nur 20,5 Prozent der registrierten Wähler. Weitere neun Millionen kamen im zweiten Wahlgang hinzu, vor allem von denen, die seine Politik verabscheuten. Die Stimmen der übrigen Liberalen standen ihm zu, aber das magere Ergebnis von Valérie Pécresse2Kandidatin der Liberalen, die im ersten Wahlgang als „Les Républicains (LR)“ angetreten sind fiel nicht sehr stark ins Gewicht. Hinzu kamen Stimmen von Wählern der Grünen, denen das scheinheilige Theater um die „große Debatte über den ökologischen Wandel“ und die Versprechungen, dass in Zukunft noch mehr Atomkraftwerke im Taschenformat gebaut werden sollen, im Halse stecken geblieben war. Hinzu kamen auch Arbeiter:innen und Jugendliche, die sich vor der Rechten ebenso wie vor den Sozialisten in der Regierung ekelten und zu Mélenchon3Mélenchon trat im ersten Wahlgang für „La France insoumise“ an, eine neue Partei vergleichbar mit der Linkspartei in Deutschland aufschauten oder einfach für ihn stimmten, auch hier aus Mangel, mit dem einzigen Ziel, im zweiten Wahlgang nicht die unmögliche Wahl zwischen zwei Übeln haben zu müssen.

Am Abend dieses zweiten Wahlgangs haben uns alle politischen Führer, von der Rechten über die Liberalen bis hin zu Mélenchons Linken, ihren „dritten Wahlgang“ angepriesen: die Parlamentswahlen im Juni, die es ihnen, wenn sie genügend Abgeordnete hätten, ermöglichen würden, dem künftigen Fünfjahresplan Steine in den Weg zu legen oder … von Macron als Minister für dieses oder jenes genommen zu werden4In Frankreich, wo es keine Koalitionsverhandlungen gibt, benennt der Präsident selbst sein Bundeskabinett. Selbst Mélenchon, der sich bemüht, die Reste der Linken zu vereinen, schlägt Macron eine Kohabitationsregierung5eine Situation im Präsidialsystem, wo der Präsident keine Mehrheit im Parlament hat mit ihm als Premierminister vor. Was für ein neuer Köder für die Arbeitenden?

Gegen Macrons Politik, jetzt sind wir dran!

Es ist nicht sicher, ob diese politischen Spiele Macron beunruhigen. Stattdessen ist es die Wut der Arbeiterklasse und ihre Kämpfe, die ihn bedrohen. Während seiner ersten fünfjährigen Amtszeit hatte er zunächst den Zorn der Gelbwesten zu spüren bekommen, die sich gegen die hohen Lebenshaltungskosten auflehnten. Danach folgte die Revolte der Arbeitenden gegen seine Rentenreform, die er aufschieben musste, obwohl sie ein Wunsch der Arbeitgeber war und er auf Gewerkschaftsseite die kaum verhüllte Zustimmung der CFDT6Die CFDT ist eine der drei größten Gewerkschaftsbünde in Frankreich erhalten hatte. Mit der Gesundheitskrise war er wiederum im Focus, da sie den großen Mangel in den Krankenhäusern und den Skandal des Betten- und Personalabbaus so deutlich gemacht hat.

Zu Macrons Bilanz der ersten Amtszeit gehört auch die Zunahme rechter Ideen, die für die Arbeitswelt tödlich sind, und die Zunahme der Stimmen von Marine Le Pen, die auf die Verschärfung der Arbeitslosigkeit und des Elends setzt, um « les Français d’abord » („Franzosen zuerst“) zu rufen, während Macron mit seiner unaufhörlichen Jagd auf Migranten die nationalistische und fremdenfeindliche Demagogie der Rechten fördert oder sogar verdoppelt.

Der „verpflichtete“ Macron hat die Farbe seiner neuen fünfjährigen Amtszeit angekündigt: Rente mit 65, 15 oder 20 Stunden Gratisarbeit pro Woche für die Empfänger des mageren RSA7Die RSA ist mit Harz IV in Deutschland vergleichbar, um nur einige zu nennen. Während die Arbeitgeber ihre Umstrukturierungspläne und Stellenstreichungen vervielfachen, beginnend in der Automobilbranche. Und während die Vorstandsvorsitzenden der CAC 408CAC 40 entspricht dem deutschen DAX ihre fantastischen Gehälter von einem Jahr zum anderen verdoppeln. Nein, angesichts dessen, was Macron uns verspricht, sind wir nicht bereit, uns alles gefallen zu lassen. Es ist angesichts der Wut an den Arbeitsplätzen und auf der Straße, dass Macrons neue fünfjährige Amtszeit scheitern könnte.

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